Was ist damit eigentlich gemeint "integral, regenerativ" in einer Genossenschaft?
Zuerst einmal die Definition der Teilbereiche
integral: von Integraler Theorie
Die "Integrale Theorie" wurde maßgeblich vom amerikanischen
Philosophen und interdisziplinären Denker Ken Wilber geprägt. Integral
bedeutet eine umfassende, ausgewogene und ganzheitliche Weltsicht. Eine integrale Sichtweise sucht immer nach dem Verbindenden, der Beziehung verschiedener Bereiche zueinander.
Die integrale Theorie eröffnet Perspektiven, die dazu beitragen, Erkenntnisebenen zu fördern, die unterschiedliche Aspekte unserer systemischen Realität - wie die biologische Konstitution, kulturelle Weltanschauungen, das gefühlte Selbstverständnis und soziale Systeme erfassen - die alle von entscheidender Bedeutung für ein umfassendes systemisches Verständnis sind. Die integrale Theorie bietet einen Rahmen für "alle Quadranten, alle Ebenen" unseres menschlichen Bewusstseins, der gleichzeitig die wichtigen Beiträge eines breiten Spektrums erkenntnistheoretischer Anschauungen würdigt und sich ebenso der Beschränkungen und Missverständnisse dieser Perspektiven bewusst ist. Mit anderen Worten: Die integrale Theorie erweitert unsere Perspektiven, die uns ermöglicht, verschiedene Wissensansätze so einzuordnen, dass sie sich synergetisch ergänzen und nicht widersprechen. Sie hat ein weit reichendes Wurzelwerk beginnend bei Georg Friedrich Hegel, der als erster die Mechanismen der Evolution erklärte, über Sri Aurobindo, C.G. Jung, Jean Piaget, Jean Gebser, Jürgen Habermas und vielen anderen.
Innerhalb der Genossenschaft legen wir Wert darauf, dass die Mitglieder sich möglichst viele Perspektiven der Wahrnehmung erschließen können, und fördern die persönliche Entwicklung explizit als wichtigen Wert unserer Organisation. Dies vereinfacht unsere Zusammenarbeit, ermöglicht ein großes Maß an Selbstverantwortung und Selbstorganisation und fördert die Dialogfähigkeit mit unseren Klienten.
regenerativ, von "Regenerative Culture"
Verhaltensweisen bewirken zwar Veränderungen, sind aber nur so effektiv wie unsere Fähigkeit, die Welt so zu sehen, wie sie ist, und diese Fähigkeit steht in direktem Zusammenhang mit unserem inneren Betriebssystem oder menschlichen Bewusstsein. Regenerative Organisationen, Institutionen und Gemeinschaften verstehen und arbeiten nach diesem Prinzip.
Wenn Menschen und Organisationen ihre Fähigkeit ausbauen, so zu denken und zu arbeiten, wie die Natur funktioniert, können wir feststellen, dass unsere Fähigkeit, uns selbst, die Umwelt und die Gemeinschaften, in denen wir arbeiten, zu regenerieren, leichter zu erreichen ist. Regeneration ist der Akt, etwas, das möglicherweise an Leben oder Bedeutung verloren hat, mit neuem Leben oder neuer Energie zu erfüllen.
Eine Organisation, die sich darauf einlässt, bewegt sich bewusst weg von einer maschinenbasierten, geschlossenen Arbeitsweise hin zu einem lebendigen System, einer regenerativen Praxis. Jede Person im Unternehmen definiert und spielt eine Rolle bei der Regeneration ihrer Arbeit, ihrer Gemeinschaft und der Branche, in der sie tätig ist. Einen Teil Ihrer Erträge gibt die Genossenschaft ganz bewusst an die Umwelt zurück, um nicht nur Kreislaufwirtschaft zu betreiben, sondern der Umwelt aktiv zurückzugeben.
Die Mitarbeiter werden sich ihrer einzigartigen Rolle und ihres Beitrags zum großen Ganzen bewusster. Qualitative Maßnahmen werden wertvoller, da Leistung und Innovation auf natürliche Weise zunehmen, weil das Gefühl der Mitarbeiter, etwas bewirken zu können, sich vertieft, wenn sie mit dem, was ihnen wichtig ist, verbunden werden. Sie beginnen zu erkennen, dass ihre eigene Entwicklung in direktem Zusammenhang mit dem größeren System steht, in dem sie arbeiten, sei es in der Wirtschaft, in der sozialen oder kommunalen Entwicklung, usw.
Jenseits der Nachhaltigkeit: Die regenerative Genossenschaft
Regenerative Genossenschaften entstehen aus dem Wunsch nach besseren Lebensbedingungen und aus dem Bewusstsein, dass jedes Mitglied der Gemeinschaft individuelle Werte und Wirksamkeit mitbringt. Wie sich die Gemeinschaft danach ausrichtet und welche Zwischenschritte für den gemeinsamen Erfolg richtig und sinnvoll sind, zeigt sich im aktuell gemeinsamen Handeln - auf diese Weise gibt es keinen angestrebten, normativen Endzustand, sondern immer den pragmatischen und verbesserungswürdigen Ist-Zustand.
A regenerative enterprise is "a venture that pro-actively grows and cultivates the foundational pools of social, cultural, spiritual, and living capital by providing goods and services in a way that creates net positive gains for the system as sa whole"
Ethan Roland & Gregory Landura (2013)
Ein regeneratives Unternehmen ist "ein Unternehmen, das proaktiv die grundlegenden Pools an sozialem, kulturellem, spirituellem und lebendigem Kapital wachsen lässt und kultiviert, indem es Waren und Dienstleistungen auf eine Weise bereitstellt, die positive Nettogewinne für das System als Ganzes schafft".
Eine regenerative Genossenschaft sorgt sich darum, die Bedürfnisse der Gemeinschaft miteinander und füreinander zu decken. Möglichst viele Teile des Genossenschaftskapitals wird dann für den bestmöglichen gemeinsamen Mehrwert und die Regeneration der Umwelt eingesetzt.
In den meisten Genossenschaften steht die wirtschaftliche
Förderung der Mitglieder im Vordergrund, somit eine ökonomische und
materielle Ausrichtung. Dies ist existenziell, liefert aber nur eine begrenzt
motivierende Grundlage für ein soziales und emotionales Gefüge. Hier verschmilzt die integrale, regenerative Genossenschaft herkömmliches mit den Ansprüchen an neue sozialökonomische Entwicklungen und beschreitet experimentelle Wege.
Unsere Arbeit nach innen und nach außen zielt daher darauf ab, Einzelpersonen, Teams und Organisationen zu befähigen, ihren Fokus nach innen zu richten, um neu zu definieren, wer sie sind, warum sie dort sind, wo sie sind, und was sie wirklich erreichen wollen. Sobald diese "innere Arbeit" abgeschlossen ist, ist es möglich, das, was sie tun, neu zu gestalten, Verhaltensweisen zu ändern und ihre Auswirkungen auf die natürliche, soziale und wirtschaftliche Umwelt zu verändern, um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, gefühlte Verbundenheit und damit ein gesteigertes Wohlbefinden für sich und andere zu erreichen.